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Monday, November 17, 2008, 21:05
Liebes Tagebuch, ich befinde mich derzeit in einer für mich sehr ungewöhnlichen Situation: Ich habe mehr Geld als Zeit ! Nach Jahren, in denen es irgendwann im Monat immer mal wieder Phasen gab, wo man sich mit 5 Kröten in der Tasche über die Woche retten musste, ist es gerade völlig egal, wieviel Kröten in der Tasche sind- weil ich einfach mein Kärtchen zücken kann und weiss, alles was dahinter steckt ist zahlungskräftig. Was ich leider feststellen muss- der plötzliche Reichtum hat seinen Preis, und - Du erinnerst Dich vielleicht- ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich die Sache wert ist, wenn mir für den ganzen hübschen Kram, den ich so mag ( rumkritzeln, dumme Sachen auf Internetseiten verfassen, Gras am Wegesrand schauen ) kaum noch was an Zeit, oder Luft oder auch einfach Muse bleibt. Naja, ich will ja nicht nur jammern, das womit ich mir die Zeit vertreibe habe ich mir selber ausgesucht, und es macht mir Spass- und mitunter ist es sogar manchmal tatsächlich sinnvoller, als z.B. dumme Sachen auf Internetseiten zu verfassen. Aber ich glaube, es ist wichtig sich Nischen zu suchen. Bei all meiner Hektik, die ich zur Zeit verspüre- und wohl auch verbreite- sind die ruhigen Momente so wichtig geworden. So wie der neulich an einem ziemlich Nebel - und Nieselregen verschleierten Novembermorgen. Genaugenommen war das Wetter eigentlich mittelschwer zum kotzen- aber der Tag war ruhig, und es war ein nahezu herausragender Luxus, ganz langsam, ohne Pläne oder "to do Liste" für den Tag, durch die Stadt zu spazieren. Ihr zu zusehen, in all ihrer Hektik- und mich trotzdem von all dem weit weg zu fühlen, weil ich Zeit hatte. Genug Zeit, um einfach mal durch Regen, Niesel, Nebel und trübes Novemberlicht zu trollen. Und um zu spüren, wie das Jahr- ganz unabhängig von dem Wiggel den die Menschen verbreiten- zur Ruhe kommt, sich auf Pause und Winterschlaf und sogar ein bißchen Bedächtigkeit einstellt. Ein Luxus, den ich mit all meinen Kröten nicht bezahlen kann. Deswegen muss ich auch brav drauf achten, dass ich mir immer wieder meine Nischen such. Bis bald, Deine Gnomorella ....;-) und ich sollte vielleicht dafür sorgen, dass es irgendwann nicht ausschliesslich der Alkohol ist, der mich umnebelt...;-)
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RayFine und die Überdosis Freundlichkeit- oder: Vom Recht auf den gepflegten Griesgram
Sunday, October 12, 2008, 11:20
Liebes Tagebuch, RayFine hatte neulich einen sehr seltsamen Tag, der mir nachhaltig zu denken gibt. Als er zu seiner morgendlichen Laufrunde aufbrach, grüssten ihn sämtliche Jogger mit einem mehr oder weniger weggetretenen, leicht von dieser Erde entrücktem Lächeln. Bei der Bäckersfrau wurde er als erster bedient, und als die Reinemachfrau im Laden um seine Füsse fudelte sagte sie höflich " Geben Sie doch bitte acht, nicht das sie noch ausgleiten!". Später im Büro erhielt RayFine einen Anruf von Alice aus China, die sich ungefähr zum 136. Mal dafür bedankte, dass er all die Strapazen mit dem Zoll auf sich genommen hatte, und das Päckchen nun tatsächlich angekommen sein, und überhaupt, all die Unpässlichkeiten, alles ihre Schuld, und ob sie es nicht irgendwie gutmachen könne, wenn sie ihn nach China zum Sushi einladen würde. RayFine konnte sich nur mit Mühe aus der Geschichte herauswinden, in dem er Alice bedächtig und minutiös aufrechnete, dass der zeitliche Aufwand bei aller Spesendeckung und Kostenübernahme von Alice Seite in keinem Verhältnis stünde. Nach Feierabend wollte sich RayFine ein wenig im Outdoorgeschäft zerstreuen, und ehe er sich versah bekam er von einem freundlichen jungen Mann ein exclusives Angebot für einen wasserdichten Ganzkörperanzug ( tatsächlich so ein Exemplar, wie es sich RayFine auf seiner letzten Begegnung mit dem Wildwasser dringlichst gewünscht hätte). Außerdem beriet ihn der junge Mann sehr kompetent und unaufdringlich und RayFine konnte nicht mal seine "Ihr Sport Geschäftfuzzis mit eurer gestählten Outdoor Perfektion seit mir eh alle über" - Agression anbringen, weil der junge Mann über ein paar sehr unregelmässige Schneidezähne verfügte und RayFine deshalb ein bißchen leid tat. Bis RayFine schliesslich an seinem Auto angelangt war, hatte sich schon eine gewisse Anspannung in ihm breit gemacht, die er nicht einmal im Strassenverkehr loswerden konnte, da alles flüssig lief, ihn keiner anhupte und man ihm sogar zwei mal ungerechtfertigter weise die Vorfahrt überliess. Endlich, als er die schützende Tür seiner Wohnung zugeschlagen hatte - nach einem freundlichen "Grüß Gott" und "Schöön habens aber das Treppenhaus geputzt" der Nachbarin- wallte in ihm das dringende Bedürfnis auf, diesem ungeheurem Tag, gespickt mit soviel positiven Ereignissen und Freundlichkeit etwas entgegen zu setzen, und er nahm sich vor, nun endlich den Anruf bei der Zeitung zu erledigen, die neulich sein Wochenexemplar nicht geliefert hatte. RayFine brannte innerlich, er wollte Blut sehen- zumindest Bedauern und Zerknirschung hören, er wollte die Person am Telefon seinen ganzen Schmach spüren lassen. Doch kaum wurde das Freizeichen vom Wählton unterbrochen, da erklang auch schon eine überaus freundliche Frauenstimme am anderen Ende. RayFine hatte gerade mal drei Wörter formuliert, als ihn die Dame am anderen Ende schon mit Bedauerungsbekundigungen, dem Versprechen einer sofortigen Nachlieferung und der Ankündigung eines dreimonatigen kostenfreien Abos überollt hatte. Und da war der Punkt gekommen, an dem RayFine nur noch resignieren konnte. Er verliess das Haus und zog sich zurück in den tiefen, tiefen Wald, um dort weit weg von allen Menschen zu sein- und sollte sich doch mal jemand in seine Nähe verirren, dann knurrt er vorsorglich mit wolfsgleichem Grollen und stellt die Nackenhaare auf- damit bloss keiner auf die Idee kommt, ihn zu fragen ob er vielleicht Hilfe braucht. ....nun, ich gebe zu, ein Großteil der Story ist fiktiv- aber vielleicht geh ich trotzdem mal RayFine suchen, um ihn mit ein paar gekonnten Sticheleien und Zickentiraden von seinem Sichtum zu befreien ;-) Wenn das alles nicht helfen sollte: http://de.youtube.com/watch?v=Ss02sfQin ... re=relatedBis bald, Deine Gnomorella ....ach ach, ich sehe schon, es sind noch einige Richtigstellungen von Nöten: 1. Kritisiert der Text NATÜRLICH nicht RayFines mutmassliche Griesgrämigkeit- sondern die kommerzielle Freundlichkeit in unserer Gesellschaft 2. Ist RayFine in der Regel garnicht so griesgrämig- lediglich ein bißchen soziophob ( ;-) 3. Selbst wenn er es wäre- ich finde Griesgram nicht so schlimm, ich finde, ab und an, mit einem guten Grund, steht er tatsächlich jedem mal zu- so z.B. mir an diesem Morgen..... GGGGGGRRRRRRRRRRRRRRRR!
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Wolke 9 - oder die Frage nach der Normalität im Kino
Saturday, October 11, 2008, 09:24
Wertes Tagebuch,
gestern habe ich einen Film gesehen, Wolke 9, der an vielen Stellen schon ausreichend diskutiert worden ist, weil man da nämlich ( um jemanden zu zitieren, der es rein vom Intellekt her durchaus anders hätte formulieren können- aber betrachten wir es als Stilmittel) "1 1/2 Stunden alten Leuten beim Poppen zugucken kann !".
Es gibt dazu viele Gedankenansätze, "will man dass sehen?"- "will man in dem Altern überhaupt noch poppen- oder lieber einfach seine Ruhe haben?" ( um Herrn Martenstein aufzugreifen ).
Mein Ansatz dazu wäre "Wieviel ungeschönte nackte Nahaufnahmen vertragen wir überhaupt?" ( nachdem unsere Augen über Jahre von Körpern verwöhnt wurden, die nicht nur für sich schon eine gewissen Attraktivität mitbringen, sondern im Kino durch Licht/Schatten, Bettdecken und eine romantische Geschichte geschliffen werden- und wenn wir Nahaufnahmen geboten bekommen, dann meist nur von verheissungsvollen Augenblicken, und nicht von Bauchfalten, ohne die bekanntlich nicht einmal superschlanke Menschen auskommen.
Weisst Du worauf ich hinaus will ?? Von meinem Grundansatz her würde ich ja jetzt ein großes Plädoyer für die FKK Kultur vom Stapel lassen, dass man sich einfach öfter mal wieder mit "normalen" Körpern auseinander setzt, und nicht mit dem gehypten und gepuschten Zeug was einem die Medien vorsetzen. Und wenn die Medien einem etwas anderes vorsetzen- dann fungiert es genau wie die Schönheit als Mittel. Wenn wir Hässlichkeit konsumieren, dann geht es eben darum, dass Menschen einen explizieten Makel haben (...aber dafür wunderschön Glocken läuten können, oder vielleicht Buchsbäume und Frisuren trimmen können). Aber wir finden selten die "normalen Menschen im Kino"- die die Größe 42 tragen, die bei denen die Frisur nicht immer sitz, die auch mal drei Pickel haben und beim Griff in den Kleiderschrank nicht immer das glücklichste Händchen haben. Und ich frag mich, ob wir diese ganzen normalen Menschen tatsächlich im Kino sehen wollen würden. Oder ist Film eben immer noch das Medium der Flucht in eine Story, da wo die Menschen eben ganz anders sind als im normalen Leben. Extrem schön, oder extrem hässlich, besosnders schlau, vom Leid geprüft, aber immens tapfer. Ich glaube, wir gehen ins Kino, damit wir ein bißchen aus dem Alltag rauskommen. So tragisch das irgendwo ist, schöne Leute gucken gehört anscheinend zur Flucht aus dem Alltag dazu.
Wenn ein Film wie Wolke 9 uns so unglaublich nah an alte Körper und die Intimität und Lust der Menschen ranlässt, dann ist das eine Funktion, ein Stilmittel- aber es ist - zumindest vom jetztigen Stand- wohl mutmasslich und leider genausowenig normal wie hochpuschte Modelschönheiten und Superhelden mit Bärenkräften.
Bis bald, Deine Gnomorella
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Sunday, September 7, 2008, 00:30
Kjære Dagbok, heute Abend hab ich meine nordischen Wurzeln wieder entdeckt. Wie Dir vielleicht bekannt ist, entspringe ich in meinem Gnomdasein skandinavischen Mythen- und nun, wo ich heute abend fünf norwegische Hühnen auf der Bühne bestaunen durfte, die für mich ( naja- und die anderen 300 Leute in dem kleinen Laden ) wunderschöne, tiefmelancholische Musik gespielt haben, bin ich mir ganz sicher, dass ich nie wieder etwas anderes tun möchte, als mich auf einem kleinen Boot durch Fjordlandschaften zu schlängeln, der Sonne zu zu sehen, wie sie nicht untergehen will- oder nicht aufgehen, je nachdem. Ich will durch tiefe Wäder streifen, wo hinter dickem Moos die Trolle lauern, und Elfen zwischen Sonnenstrahlen tanzen- jaaaa, ich weiß- natürlich trag ich wieder dicke auf, auf wenn Du mal so einen charismatischen, bärtigen Norweger gesehen hast, der mit so einer tiefen Stimme von ganz unten seinen Herzschmerz kund tut ( ganz abgesehen davon: en mann fra en to-tre barn ønsker – damit hat er Gisbert von Platz 1 der potentiellen Kindsväter verstossen), hin und wieder fast in eine mittelschwere Depression abgleitend die Augen gen Himmel verdreht, als würde da Thor oder Freya persönlich auf ihn warten, ich sage Dir Tagebuch, dann willst Du auch nichts anderes mehr tun * som du med ham under teppe for å snike * und Thor nen guten Mann sein lassen. Hätte er noch ein wenig mehr norwegisch gesprochen, jeg ville ha før den kastes på bakken Soviel der Lobhudelei für heute Abend, lass Dich von den doch recht soften Videos nicht irritieren- die Jungs können durchaus rocken ! God natt , Din Gnomorella http://de.youtube.com/watch?v=n-CKC5w8Q1Ahttp://de.youtube.com/watch?v=yg3FGtZrRt8...oh ja, und bei all der Schwärmerei für die norwegischen Burschen darf ich natürlich nicht vergessen den Mann zu ehren und zu erwähnen, der Gnomorella und die Frau bei der sie wohnt immer wieder mit neuer Musik verwöhnt: der großartige Nero Bates und seine Band: The No Colour Twins http://www.myspace.com/nocolourtwins
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Gnomorellas Protest- und Entschleunigungstheorem
Sunday, August 31, 2008, 10:48
Wertes Tagebuch, gerade bin ich bei der Frühstückslektüre auf einen kleinen Artikel gestossen, der sich - frei übersetzt- mit der "nicht mehr jugendhaftigkeit der Jugend" beschäftigt ( Filmchen dazu: http://www.zeit.de/video/player?videoID=20080828b330f3 ) - will sagen- die heutige Jugend hat das Erfolgs- und Aufwärtsstreben derart internalisiert, gleichzeitig jedoch auch die Angst davor, ihr Plätzchen auf der Erfolgsleiter nicht zu bekommen, schneller wieder unten zu sein, als sie je oben is, quasi mit der Muttermilch erfolgsstrebender doppeltbelasteter Damen eingesogen, daß sie kaum noch befähigt ist das zu tun, was Jugend üblicherweise tut: rumdümpeln, rumhängen, faul sein und den großen Träumen und Visionen nachhängen, was sie alles anders machen würde, wenn sie erstmal am Zuge ist. Ein sehr interessanter Gedanke bei all den Ausführungen dabei erschien mir: es lohnt sich nicht ein Kontrastprogramm zu bilden, weil es so gesehen kein "Alter", kein Establishment gibt- die "Alten" um die 30 sind bestenfalls spätpubertär, und die "richtig Alten" Mitte 50 sind immer noch cool genug, um in Sneakers durch die Gegend zu flitzen. Für die junge, annähernd wohlhabende Bildungsfront, gibt es somit garnicht mehr soviele eingestaubte Wertmuster gegen die sie angehen könnte- im Gegenteil- ihre Eltern schwimmen in der gleichen Suppe von Hippsein, Flexibilität, Arschgeweihen und "bloss immer am Ball bleiben". Die weniger wohlhabende und nicht so bildungszugängliche Front hätte vermutlich 1000 Ansätze, um ihren Protest kundzutun, aber ich vermute, auch sie weiss nicht so recht, an welchem Problem sie denn nun zuerst ansetzen soll: Steht dann auf den Bannern tatsächlich "Bildung für alle" - oder vielleicht doch lieber "Plasmabildschirme für alle". Denn hier lauert das nächste Problem- der Verfall idealistischer Wert- hab ich Dir schon mal gesagt- wenn ich nix auf dem Teller hab, dann ist mir Bildung erstmal egal.... Naja, was ich dem ganzen noch anfügen möchte- wenn Du Dich vielleicht an "Gnomorella on the road" http://carascumi.de/gnomorella/blog/ind ... 618-232315erinnerst, ich glaube, ein Grund dafür, dass die Jugend nicht mehr weiss, wogegen sie denn nun tatsächlich protestieren soll, ist auch, dass es eben nur noch wenig fest installiertes gibt. Die Generation, die noch mit festen Reihenhäusern großgeworden ist, in denen Mama immer noch das alte Kinderzimmer für sie parat hält, hat mittlerweile selber Kinder- allerdings werden diese Kinder dann eher mit wechselnden Wohnungen, Kitas, Elternteilen und Geschwistern gross. Und wennn sie gross geworden sind, können sie gehen, wohin sie wollen- vielmehr noch, es wird erwartet, dass sie sich ständig bewegen- nicht nur von A nach B und zurück, sondern am besten innerhalb einer Woche drei mal durch ganz Deutschland und mindestens zwei mal ins Ausland. Wer bittschön soll da noch gegen festgefahrene Werte protestieren- hmmmmm ???? Gegen was liesse sich denn da überhaupt noch protestieren ??? Ich persönlich würde solche Gelegenheiten ja immer gern nutzen, um ein paar meiner Entschleunigungstheorien in die Welt zu werfen, schaltet mal wieder einen Gang zurück liebe Leute, holt mal Luft und schaut Euch um (....das ist in etwa das, was man den Leuten dann in der psychosomatischen Klinik nach dem ersten Burnout sagt.... )- leider bin ich zur Zeit selber irgendwie ziemlich drin in den Mühlen, liebes Tagebuch, deswegen musstest Du auch den ganzen August auf mich warten, aber immerhin: ein Sonntagmorgen mit ein paar soziologischen Gedanken an das liebe Tagebuch gleicht schon fast einer gemächlichen Spazierfahrt auf der Landstrasse mit Tempo 70- anstatt den üblichen 140 auf der Autobahn (....und wehe wenn RayFine jetzt meckert und verpetzt, dass ich eh nie über die 120 rauskomm....;-) Bis bald, Deine Gnomorella
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