Substitution- und warum Nick Cave einen Schnäuzer tragen darf 

Liebes Tagebuch,

seit einigen Tagen werde ich von einem Konsumrausch heimgesucht, der zu einem wohl mit einem gewissen Kompensationsbedürfnis zu erklären wäre- von wegen, sich was gutes tun, blablabla- zum andern damit, dass ich zufällig (...in der Tat „zufällig“!) gerade mal über die erforderlichen Mittel verfüge ( und das obwohl meine Karrierre noch gar nicht angefangen hat... ).

Gestern wollte ich Dir noch von meiner tollen schwarzen Jacke schreiben, die, die eigentlich ein bißchen so ist wie die aus dem letzten Jahr, nur länger, und noch mehr Nieten und Ösen und Metall dran und so, und schon ein bißchen schick- daran geknüpft die Frage, warum man sich zweimal fast die gleiche Jacke kaufen muss, und ob das nicht alles mit ählichen Lebensphasen zusammenhängt, in denen es einfach gut tut, wenn man den Kragen hochschlagen kann, sich hinter seiner Jacke verkriechen kann, um dann kühlen Blickes mit straffem Schritt am Kanal entlang in blassblaue Abendhimmel zu schreiten.

Naja- heute habe ich aber schon wieder konsumiert, deswegen rückt die Jacke ein wenig in den Hintergrund ( so ist das nämlich mit dem Konsum- je öfter man das macht, desto weniger hat man davon). Heute habe ich Rock´n´Roll konsumiert- heute habe ich cooles, grooviges, abgeklärtes Lebensgefühlt gekauft, eines was ganz hervorragend zu meiner neuen schwarzen Jacke passt.
Genaugenommen plärrt seit dem frühen Abend Nick Cave durch mein Wohnzimmer, und Nick Cave ist grossartig, Nick Cave kann melancholisch und gleichzeitig böse sein, Nick Cave sieht sogar noch mit Schnäuzer cool aus, wenn überhaupt irgendwer Schnäuzer tragen darf, dann Nick Cave. Wäre Australien nicht so weit weg, würde ich Nick Cave direkt auch noch zum potentiellen Kindsvater benennen.

Ja, nun hocke ich also hier mit meinem frisch erworbenen coolen, abgeklärten Lebensgefühl und könnte schon Pläne schmieden, was ich denn morgen noch alles dafür konsumieren möchte. Nur, dass sich manchmal die Ahnung breit macht, dass es tatsächlich eine Art Substitution ist, und es vielleicht gerade nicht anders als cool und abgeklärt geht.

Und es bleibt die Frage, wie es weitergeht, wenn die finanziellen Mittel mal wieder den üblichen spärlichen Stand erreicht haben, und darüber hinaus die Tage wärmer werden, und nicht mehr passend für cooles, abgeklärtes Image. Ich bin mir nicht sicher, ob Nick Cave und die schwarze Jacke mich über den Sommer hinweg tragen, wenn irgendwas in mir doch lieber völlig uncool und eher verklärt als abgeklärt sein möchte, und statt am Kanal lieber an grossen Flüssen wandeln möchte.

Mit diesen Gedanken
auf bald,
Deine Gnomorella
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