Die Aktualität sokratischer Unwissenheit- oder: Was ist eigentlich ein "Trashfilm"?? 

Liebes Tagebuch,

Sokrates hat es ja schon gesagt : „ Ich weiß, daß ich nichts weiß“.
Nun hat Sokrates ja in einer Zeit gelebt, als die Welt noch viel jünger war als meine- und er ist auch nie 327 Jahre alt geworden- zumindest ist mir das nicht bekannt.
Jedenfalls, wo man bei Sokrates noch tiefgründige Weisheit unterstellen konnte- so völlig seiner Unwissenheit bewußt- sehe ich mich mit dem gleichen Problem konfrontiert, und fühle mich dabei kein bißchen weise- vielmehr im Angesicht einer drohenden Sinnkrise.

Vielleicht habe ich in der jüngsten Zeit zuviel an apokalyptischer Literatur und postapokalyptischen Filmmaterial konsumiert, aber es drängt sich doch die Frage auf,
a) Was könnte ich als letzter Mensch auf Erden mit meinem Wissen überhaupt anfangen ?
und
b) ist Wissen nicht auch nur im Kollektiv ( also z.B. im Sinne von 180.000.000. Individuen, die ihr Einzelwissen ergänzen- oder eben das Individuum profitiert von dem Wissen vorangegangener Generationen und paralellen Überlieferungen ) überhaupt vorhanden ?

Liebes Tagebuch, verstehst Du mich ?? Es gibt da ein paar ganz einfache Beispiele:
Würden z.B. morgen alle, alle Bäcker um mich herum verschwinden- Puff- in Mehlstaub zerfallen- auf Nimmerwiedersehen- ich hätte nicht den leisesten Dunst wie ich ein Brot backen sollte.Weiter angenommen, ich tue irgendwo einen rudimentären Brotbackautomat samt Bedienungsanleitung auf, aber zufällig haben sich auch alle Mehltütenbestände in den Supermärkten und alle Müller und Bauern in Puff, Mehlstaub und Wohlgefallen aufgelöst – hmmmm- jaaa- ich würde meinen Käse also pur essen müssen. Will sagen, ich bin dem Wissensbestand in meiner Umgebung auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Und das schlimme ist: das Beispiel lässt sich ziemlich wahllos auf kaputte Autos, Socken flicken und die Auswahl der günstigsten Krankenversicherung übertragen.

Das war ein überlebenstechnisches Beispiel. Aber das ganze geht ja noch viel weiter. All das kulturelle Wissen meiner Vorfahren zum Beispiel- das werd ich nie mehr aufholen können- und ich werde auch nicht jeden kunstszenistischen Seitenzweig verfolgen können. ABER- selbst in dem Bereich, wo ich eigentlich dachte, ich kenne mich aus, besteht ein rasendschneller Zuwuchs an Neuigkeiten, Entwicklungen, Trends undsoweiter undsoweiter und das führt dann dazu, dass ich irgendwann nur noch ein dummes Gesicht machen kann und ziemlich blöd da steh.

So war ich z.B. neulich mit RayFine bei der Trashfilmnacht. Und wir waren da, weil wir dachten, das ist was, womit wir uns beide gut auskennen. RayFine kann kein Blut sehen, und ich kann keine Zombies sehen, und wir wussten beide, wovor wir Angst haben sollten. Aber liebes Tagebuch, es kam ganz ganz schlimm. Das Blut war billig und die Zombies waren grottig, aber wirklich Angst und Grauen hatten wir vor dieser abgrundtief schlechten Filmkultur, und in den meisten Filmen waren weder Zombies ode Blut zu sehen.
Und was uns noch mehr entsetzt hat: wir mußten feststellen, dass wir beide überhaupt keine Ahnung hatten, was denn ein „Trashfilm“ nun genau ist. Deswegen mußten wir auch nach der Pause gehen, und alle Möglichkeiten, was einen Trashfilm und die Bewertung eines „guten“ Trashfilms ausmacht, durch diskutieren.
Und soll ich Dir nochwas sagen: Wir wissen es bis heute noch nicht !
Es ist nichts essentielles. Ich werde natürlich nicht verhungern, kalte Füsse haben, oder erhöhte Blutfette, weil ich nur noch Käse ohne Brot esse.
Aber es hat mir gezeigt, wie groß und immer größer diese Welt doch ist, und das man sich kaum in ihr zurecht findet und das macht mir Angst.

So bleibt mir nur noch, mich offen der sokratischen Unwissenheit zu stellen- um zumindest eine Gewißheit in diesem Leben zu haben.

Bis bald,
Deine Gnomorella

P. S. : Falls mir jemand da draußen erklären kann, was nun ein „Trashfilm“ ist........
Ray Fine 

Liebe Gnomorella,

sind ja gelungene Gedanken vom Wissen übers Nichtwissen die du da in deinem hohlen Baumstamm ausgebreitet. Vielleicht könnte man das berühmtberüchtigte Zitat sogar zu einem zenkoangleichen "ich weiß, dass nichts was ich weiß - ist" umbiegen, im Sinn von "alles was ich weiß, ist nicht so wie ich es weiß"... hach, was könnte man da nicht alles noch für Kombinationen draus bauen...

Aber eigentlich möchte ich hier ja nur öffentlich eine Richtigstellung einfordern:

Ich habe keine Angst vor Blut. Hätte ich Angst vor Blut müsste ich mich ja vor mir selbst fürchten. Das wäre zwar ein vielversprechender Schritt auf dem Weg sich selbst von seinem Ich zu lösen, aber Ray Fine hat keine Angst vor Blut, egal ob Eigen- Fremd- oder Filmblut.
OK, die Formulierung war wahrscheinlich aus dramaturgischen Gründen so gewählt, aber hättest du nicht einfach schreiben können dass Ich Angst vor Blutwurst habe? Ich erinnere mich da mit großem Grauen an ein mit Blutwurst gefülltes Omelett... das Grauen... das Grauen... das Grauen.... hmmm... ich glaube ein blutwurstgefülltes Omelett würde sich übrigens in einem echten Trashfilm wirklich gut machen...

Gruss,
Ray Fine

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